Donnerstag, 28. Februar 2013

Marie Claire Griechenland März 2013

         
     
            
                                         

Montag, 18. Februar 2013

Donnerstag, 7. Februar 2013


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Siegfried Lenz: Die dreizehnte der Masurischen Geschichten

Die Reise nach Oletzko



Oft, Herrschaften, kann schon ein kleiner Mangel Anlaß geben zu einer Reise -beispielsweise der Mangel an einem Kilochen Nägel. Von diesem Mangel betroffen fand sich in Suleyken ein Mensch namens Amadeus Loch, dessen Liegenschaften sich in unmittelbarer Nähe von Goronzä Gora, das ist: Heißer Berg, erstreckten. Um also genügend Nägel zu haben für den Bau eines Schuppens, begab sich dieser Loch eines Tages zu seiner Frau und sprach ungefähr so: >>Es ist<<, sagte er, >>moia Zonka, ein Mangel aufgetreten von einem Kilochen Nägel. Daher wird eine Reise nach Oletzko notwendig sein. Und damit sie angenehm wird, könntest du eigentlich mitfahren. Es sind die selben Vorbereitungen, und wenn man schon in die Fremde muss, dann soll man achten, daß man nicht allein ist.<<
So sprach Amadeus Loch und ging hinaus, und nachdem er gegangen war, stellte seine Frau, eine geborene Popp, alles auf die Ofenbank, was für die Reise gebraucht wurde. 
Was das Essen betrifft, so war auf der Ofenbank etwa zu finden: Speck, Fladen, Salzgurken, ein Topf Kohl, getrocknete Birnen, ein Korb Eier, gebratene Fische, Zwiebeln, ein Rundbrot und ein geschmortes Kaninchen. Dann legte sie, während Amadeus sich um das Fuhrwerk kümmerte, die Joppe bereit, Gummigaloschen, Decken, Tücher und Pulswärmer. Und nachdem sie ihre vier Röcke zum Unterziehen hervorgekramt hatte, sprang sie hinüber zu ihrem Bruder, Paul Popp, und ließ sich so vernehmen:
>>Amadeus und mich, uns zwingt der Mangel von einem Kilochen Nägel in die Fremde. Morgen, vielleicht auch übermorgen, müssen wir fahren nach Oletzko. Wenn man aber schon in die Fremde muß, dann soll man achten, daß man nicht allein ist. Da ich auf euch nicht verzichten kann, wäre es schon angenehm, wenn ihr mitkämt. Ich könnte sie leichter aushalten, die Reise.<<
Damit ging sie, und nach kurzer Beratung begannen im Hause Popp die Vorbereitungen für die Reise: Eingemachtes wurde aufgemacht, es wurde Salzfleisch zurechtgelegt, Heringe wurden gebraten, ein Huhn geschlachtet und gekocht, Brot gebacken, ein Paar Wollsocken in wirbelnder Eile zu Ende gestrickt, ferner wurden die Pferde neu beschlagen, das Geschirr ausgebessert und die Leine des Hofhundes verlängert. Und nachdem die notwendigsten Vorbereitungen getroffen waren, eilte Paul Popp persönlich zu seinem Schwager Adolf Abromeit, der, wie man sich erinnert, in seinem Leben nicht mehr gezeigt hatte, als große Ohren. Und zu diesem sprach er: >>Das Schicksal will, das wir eine Reise machen müssen in die Fremde. Und wie die Dinge, Adolf Abromeit, nun einmal liegen, hat sich niemand wohlgefühlt in der Fremde - angefangen bei den Katzen und geendet bei den Schimmeln. Somit wäre es gut, wenn du anspannst und uns begleitest; die Reise wäre um manches angenehmer.<<
Adolf Abromeit, ein ewig verscheuchter Mensch, rannte vom Keller auf den Boden, vom Boden in die Scheune, von der Scheune in den Stall und in die Küche, und als er alles halbwegs beieinander hatte, rannte er über die Felder zu seinem Onkel, dem Briefträger Hugo Zappka, und sprach: >>Ein Unglück ist geschehen. Eigentlich eine Feuersbrunst. Wir müssen eine Reise machen in die Fremde, nach Oletzko. Wir können dich, Onkelchen, nicht entbehren. Schon wegen der Katzen und Schimmel.<<
Und damit rannte er auch schon zurück.
Hugo Zappka, der Briefträger, er ordnete und bündelte die eingegangene Post, stellte so etwas wie eine Bilanz zusammen und setzte sich hin und schrieb sein Testament. Dann regelte er alles für die Reise und suchte meinen Großvater, Hamilkar Schaß auf, dieser meinen Oheim Kuckuck, Kuckuck den Ludwig Karnickel, Karnickel die Urmoneits, und allmählich war ganz Suleyken in schöner Unbefangenheit bereit, einen seiner Bürger in die Fremde zu begleiten. 
Wie ansehnlich die Reisegesellschaft war -  man wird es ermessen, wenn ich sage, daß das Fuhrwerk von Amadeus Loch, knapp vor Striegeldorf war, als sich der letzte, der finstere Mensch Bondzio, gerade in Suleyken in Bewegung setzte. 
So fuhren sie los, und dem Vernehmen nach soll auf dieser Fahrt, neben vielem anderen, folgendes passiert sein: es wurden zwei Kinder geboren, der alte Logau verlor sein Holzbein, zwischen dem Schuster Karl Kuckuck und dem Flußfischer Valentin Zoppek brach ein Streit aus, der Holzarbeiter Gritzan ließ sich herab und sprach zwei ganze Sätze, ferner sichtete man einen wilden Auerochsen, der sich jedoch später als Kuh herausstellte, inspizierte die sagenhaften Rübenfelder von Schissomir, unterbrach die Fahrt, um den berühmten Kulkaker Füsilieren beim Manöver zuzusehen, und erwarb natürlich ein Kilochen Nägel in Oletzko. 
Dem weiteren Vernehmen nach kehrte die Gesellschaft nach angemessener Zeit zurück und zerstreute sich mit der Versicherung, daß es angenehm sei, wenn man in der Fremde nicht allein sein muss. 

Mittwoch, 6. Februar 2013